Kommentar zur Gemeindeversammlung vom 8. April 2022

Es ist ein historischer Anlass. Es geht um den Schlusspunkt in einer 10 Jahre dauernden innerdörflichen Fehde nach dem vorschnellen, in einem giftigen Klima gefällten Verkaufsentscheid von Hotel und Bad an Remo Stoffel (2012; Preis: 7,7 Millionen; die Höhe der stillen Reserven in den Verkaufsobjekten ist nie abschliessend bemessen worden). Die Stimmberechtigten müssen heute entscheiden, ob sie der Errichtung der “Stiftung Felsentherme Vals” zustimmen, wie es ihnen der Gemeinderat empfiehlt, womit sie die denkmalgeschützte Therme für den Preis eines symbolischen Frankens wieder in die Obhut der Gemeinde führen würden.

Wie oft in den letzten 10 Jahren bin ich als stiller Beobachter auf der Empore der Versammlungshalle und schaue von oben zu. Neben mir steht Jacqueline Badran, Unternehmerin, Nationalrätin und Vize-Präsidentin der SP-Schweiz. Sie unterstützt die Wahlkampagne für den Grossen Rat der bisher in der Surselva eher randständigen Sozialdemokraten. Und, weil sich diese Gelegenheit bietet, kann sie heute als Gast auch einen offenen Blick auf diese wichtige Gemeindeversammlung werfen. Während der Vorstellung der Botschaft durch den Gemeindepräsidenten – er liest die meisten Abschnitte vor – schüttelt sie mehrmals energisch und missbilligend den Kopf.

In der Tat, die Freude und Befriedigung darüber, dass die Therme wieder ganz der Gemeinde gehört, wird durch weitgehende Dienstbarkeiten (Servitute) getrübt, welche die Gemeinde zu garantieren hat. Stell’ dir vor, liebe Leserin, lieber Leser, du hast seinerzeit in einer verwirrten Stimmung – du warst angeschlagen? schlecht beraten? hoffnungslos? – dein Haus verschenkt, weil der glücklich Beschenkte behauptete, er wäre dein Freund. Er werde viel Geld in ein neues Stockwerk stecken. Und er wäre schliesslich auch bereit, es dir jederzeit zurückzugeben, falls du dies wünschen würdest. Und jetzt ist es soweit. Du möchtest es zurück – und damit den wenig überlegten Entscheid von damals korrigieren. – Kein Problem, sagt dein Freund, unter der Bedingung, dass ich ewig im Haus bleiben darf; du kannst mich nicht rauswerfen, und die Höhe der Miete bestimme ich; sollte es mir hier verleiden, suche ich den Nachfolger, der auch unkündbar ist. – Und der schöne Gartensitzplatz unter den ausladenden Bäumen? fragst du. – Möglich, dass du diesen benützen kannst, wenn ich ihn nicht brauche, gegen Bezahlung! – Steht das denn alles im Mietvertrag? – Nein, denn es gibt keinen … Dafür eine Reihe solcher Dienstbarkeiten, die dir dein Freund auferlegt. Jetzt, lieber Leser, liebe Leserin, schüttelst du ungläubig den Kopf, nicht wahr! Und mehr: Du greifst dir an die Stirn, in Anbetracht dieser ganzen Geschichte … na ja, der Vergleich mag hinken; doch hat er den Vorteil, deine Vorstellungskraft in dieser Sache anzuregen.

Über die Dienstbarkeiten, die jetzt in der Botschaft stehen, wurde in den letzten fünf Jahren zäh gerungen, sagt die Botschaft, wobei der lückenhafte Verkaufsvertrag von 2012 nicht immer hilfreich war. Die Priora Suisse AG hat sich eine dauernde, uneingeschränkte und exklusive Nutzung des Bads gesichert, muss allerdings auch sämtliche damit verbundenen Betriebs-, Unterhalts- und Erneuerungskosten übernehmen. Das hart erstrittene Zutrittsrecht für die Allgemeinheit an 270 Tagen pro Jahr bleibt in der konkreten Ausgestaltung vorerst vage. Der Zugang der Gäste anderer Valser Hotels hängt von den Nutzungsprioritäten und dem guten Willen der Priora ab. Deshalb hoffen die anwesenden 112 Stimmberechtigten auf einen aufmerksamen Stiftungsrat, günstige Reglemente und eine kulante Praxis, die den Wünschen und Bedürfnissen der Öffentlichkeit und der Hotels entgegen kommen.

Die Stimmung heute Abend ist jedoch versöhnlich. Machen wir einen Schlussstrich unter diese Angelegenheit, blicken wir positiv in die Zukunft. Der Sprecher der ‘Gruppe besorgter Valserinnen und Valser’, Peter Schmid, bekräftigt diese Blickrichtung. Jetzt ist das Kriegsbeil begraben, sagt mir einer an der Ausgangstüre. Denn die Abstimmung zum Antrag des Gemeinderats ist eindeutig: Die Anwesenden stimmen ihm zu, ohne Enthaltungen, ohne Gegenstimmen.

Deshalb zum Letzten:

Bravo! Die Therme gehört wieder dem Dorf! (Der Wolkenkratzer für Vals ist inzwischen wohl stillschweigend zu Grabe getragen worden?)

 

220408 – Jean-Pierre Wolf